Gemeinschaftsfahrt - Hochtouren im Stubaital | © DAV Wuppertal

Rucking im Stubaital

Wie unsere Gemeinschaftstour scheiterte und dadurch zum Erfolg wurde

13.08.2025

Rucking - Laufen oder Wandern mit einem Rucksack mit Gewicht auf dem Rücken. Das Laufen mit einem Rucksack mit Gewicht auf dem Rücken ist eine einfache Möglichkeit, Kraft aufzubauen und die Ausdauer zu verbessern. Belade deinen Rucksack für die ersten Rucking-Einheiten mit höchstens 10 Prozent deines Körpergewichts. Füge immer mehr Gewicht hinzu, bis du irgendwann 25 Prozent deines Körpergewichts trägst.

Juni 2025 - Ein Tourenbericht von Johannes Rohleder

Der Wetterbericht behielt Recht. Als wir Donnerstagmittag zu fünft auf dem Parkplatz der Nürnberger Hütte eintrafen, hatte ein Dauerregen eingesetzt, der nach 500 Höhenmetern in Schnee überging.

Am nächsten Morgen lagen 20 Zentimeter Neuschnee und André hatte einen Infekt. Maggi, Sapi, Tom und ich entschieden beim Frühstück, zunächst das geplante Lawinentraining zu absolvieren und dann gemeinsam zu beraten. Gesagt, getan. 

Mit einem Infekt hatte André in einem Winterraum auf 2.300 Metern Höhe nichts verloren. Also brachen Maggi, Sapi und André um 10 Uhr zum Innsbrucker Bahnhof auf, während Tom und ich die Strecke Richtung Becherhaus erkunden wollten. Eine echte Herausforderung, wie sich schnell herausstellte. 

Wegmarkierungen waren dank des Neuschnees Fehlanzeige und die laut Wetterbericht „passable Sicht“ endete nach 50 Metern. Nach zweieinhalb Stunden hatten wir so gerade einmal 300 Höhenmeter und ein Viertel des Weges geschafft, der im Sommer mit 4:45 Stunden angegeben war.

Zurück auf der Hütte trafen wir auf Maggi und Sapi, die gerade aus dem Tal wieder aufgestiegen waren. Gemeinsam bereiteten wir uns auf die zweite Nacht im 14 Quadratmeter großen Winterraum der Nürnberger Hütte vor. 

Für den nächsten Tag war stabiles Wetter vorhergesagt. Also entschieden wir, die Überschreitung des Alpenhauptkammes am morgigen Samstag anzugehen. Kurz vorm Schlafengehen die nächste Überraschung. Ein Münchner Pärchen klopfte an die Tür. Die beiden planten eine Alpenüberquerung und wollten für eine Nacht ihr nigelnagelneues Equipment ausprobieren. Also schnell die letzten beiden, als Abstellplatz genutzten Betten freiräumen und dann in den Schlafsack.

Samstagmorgen. Pünktlich um 5:00 Uhr schellte Sapis Wecker und nach einem kurzen Frühstück stopfen wir alles, was wir dabeihatten, in unsere Rucksäcke: Schlafsack, komplette Hochtourenausrüstung, LVS, Schaufel, Sonde, Schneeschuhe, Wechselwäsche, Essen für 3 Tage sowie Tee und Wasser für den Tag. Die 20 Kilogramm Gewicht spürten wir bei jedem Schritt.

Absolvierten wir die gespurte Strecke von gestern noch in der halben Zeit, bremste uns der Neuschnee danach aus. Während die Sonne immer höherstieg, sank unser Tempo merklich ab. Nach 4 Stunden tauchte der Wilde Freiger erstmals in voller Höhe vor uns auf: Rund 500 Höhenmeter Kraxelei durch steiles, tief verschneites Gelände warteten auf uns. Im besten Fall würden wir noch einmal 4 Stunden bis dort oben benötigen und dann folgte ein, unter den Bedingungen vermutlich mehrstündiger Abstieg durch unbekanntes Gelände.

Mit den Kräften war auch meine Zuversicht geschwunden. Aber die Tour abbrechen? Meine Bedenken ließen sich nicht wegwischen. „Lasst uns umkehren, ich traue mir den Weg nicht mehr zu“, schlug ich zögerlich vor. Kurze Stille. „Wenn Johannes zurück will, gehen wir zurück“, stellte Maggi fest und damit war alles gesagt.

Kurzentschlossen bestiegen wir noch das direkt über uns liegende Gamsspitzl (3050 m) und mit einem veritablen 3000er im Rucksack machten wir uns auf den Rückweg.

Bei der Hütte angekommen, ließen wir den Tag in der Nachmittagssonne ausklingen. Maggi zauberte aus ihrem in Hogwarts gefertigen Rucksack eine Champignoncreme-Suppe plus Backerbsen hervor, ich steuerte meinen Gipfelschnaps bei, Sapi und Tom Riegel und Schokolade für den Nachtisch. 

Wohlig gesättigt machten wir uns an die Nachbesprechung. Was hatten wir erreicht? Wir hatten mit Schneeschuhen eine 8-Stunden-Tour im Hochgebirge hingelegt, die jeder Skitour würdig gewesen wäre; wir hatten uns im schwierigen Gelände weglos über eine nicht geringe Distanz sicher orientiert; wir hatten ein spontan organisiertes Lawinentraining absolviert und dabei den unter einem halben Meter Schnee verborgene Sender exakt aufgespürt; wir hatten uns 3 Tage im Winterraum ohne Strom und fließend Wasser komplett selbst versorgt und dabei mit vollem Gepäck mehrstündige Auf- und Abstiege hingelegt. Und vor allem waren wir als Gruppe zusammengewachsen.

Nächstes Jahr, so viel steht fest, starten wir einen neuen Versuch. Nach drei gescheiterten Anläufen als Winterraum-Tour im Mai werden wir dann im Juni unmittelbar nach Hüttenöffnung aufbrechen und die Gipfel der Stubaier Alpen hoffentlich erreichen.

Für 2025 war unsere Gemeinschaftstour jedoch zu Ende. Den Abstieg am nächsten Morgen traten wir in Schneegriesel an. Am Parkplatz setzte dann ein Regen ein, der uns bis Wuppertal begleitete. Der Wetterbericht hatte Recht behalten.